Thomas Markwig | Computeralgebra |
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In kaum einem Bereich des täglichen Lebens kommt man heute mehr ohne Computer aus. Sein Siegeszug begann als Ersatz des Rechenschiebers z.B. in Form des Taschenrechners bei numerischen Berechnungen, d.h. bei solchen, bei denen die vorkommenden Zahlen gerundet werden. Doch darauf ist sein Einsatz inzwischen längst nicht mehr beschränkt; selbst die Arbeit mit komplizierten abstrakten Konzepten kann mittlerweile durch den Computer unterstützt werden. Damit hat der Computer auch Einzug gehalten in die Gebiete der 'reinen' Mathematik, wie etwa der Algebra, deren Begriffswelt geprägt ist von Abstraktion und von exakten (d.h. nicht gerundeten) symbolischen Operationen. Ein Ziel der Computeralgebra ist es, exakte algebraische Methoden als Algorithmen zu formulieren und sie dadurch der Implementierung auf einem Computer zugänglich zu machen. Typisch hierbei ist, daß nicht so sehr das Rechnen mit Zahlen im Vordergrund steht, als vielmehr der effektive Umgang mit komplexeren algebraischen Strukturen wie z.B. Gruppen und Ringen. Denn gerade darin liegt der theoretische Wert einer solchen Behandlung eines algebraischen Problems: Die algorithmische Formulierung eines mathematischen Sachverhaltes ermöglicht wiederum neue Experimente auf höherem Niveau, deren Ergebnisse ihrerseits Anlaß zu neuen mathematischen Vermutungen geben und damit den Weg zu neuen mathematischen Erkenntnissen weisen können. Doch auch für praktische Anwendungen in Naturwissenschaft und Technik ist die Bedeutung der Computeralgebra nicht zu unterschätzen.
Lehre
So vielfältig wie die Anwendungen der Computeralgebra innerhalb der
Mathematik ist auch das Wissen, das einem Studenten während seines
Studiums vermittelt wird, falls er dieses Gebiet als seine
Vertiefungsrichtung wählt. Deshalb haben sich die Arbeitsgruppen
Algebraische Geometrie, Singularitätentheorie und Computeralgebra zu einem
Vertiefungsgebiet zusammengefunden, in dem die Vorlesungen und Seminare
eng aufeinander abgestimmt sind. So wird den Studenten ein optimaler Einstieg
in dieses komplexe Gebiet ermöglicht, bei dem theoretische und praktische
Komponenten eng miteinander verzahnt sind. Dabei ist die Anwendung
mathematischer Software integraler Bestandteil der Ausbildung; Ziel ist
die Durchdringung theoretischer Begriffe mit algorithmischem Verständnis
bis hin zur praktischen Anwendung. Durch die Verwendung symbolischer Verfahren
der Computeralgebra kann dies ohne Verzicht auf mathematische Exaktheit
geschehen.
Da andererseits heute in fast jedem Gebiet der Mathematik
Computeralgebra-Systeme, meist aus dem Bereich der sogenannten
'general purpose' Systeme wie etwa Maple oder Mathematica, zum Einsatz
kommen, sollten auch Studenten mit anderen Vertiefungsrichtungen
während ihres Studiums einen Einblick in die Theorie und Praxis dieses
Gebietes erhalten, um später bei konkreten Fragestellungen die Chancen
des flankierenden Einsatzes algebraischer Methoden nutzen zu können.
Gerade in der Lehrerausbildung gewinnt eine fundierte Basis
an Computeralgebra in Zukunft immer mehr an Bedeutung, bedingt durch die
rasante Entwicklung moderner Computeralgebra-Systeme. Durch die zunehmende
Verfügbarkeit solcher Systeme zu oft moderaten Preisen werden auch
Schüler demnächst vermehrt Zugang zu solcher Software haben und es
stellt sich an Lehrer die neue Herausforderung diese kompetent und sinnvoll
in ihren Unterricht zu integrieren. Dies kann nur gelingen, wenn er selbst
einmal (zumindest exemplarisch) Einblick in die Funktionsweise solcher
Algorithmen erhalten hat.
Ein besonderer Vorteil der Computeralgebra-Ausbildung in Kaiserslautern
liegt darin, daß hier nicht nur theoretische Forschung in
Computeralgebra und Einsatz von Computeralgebra Systemen stattfinden,
sondern in dieser Gruppe auch ein Computeralgebra System entwickelt wird:
SINGULAR.
Computeralgebrasystem SINGULAR
Viele bekannte Computeralgebra-Systeme, wie z.B. die oben bereits genannten
Maple und Mathematica,
vereinigen in sich eine große Zahl von Verfahren aus den verschiedenesten
Teilgebieten der Mathematik und stellen damit für Mathematiker wie
auch Naturwissenschaftler und Ingenieure ein wichtiges Werkzeug dar.
Sie können aber nicht auf jedem dieser Gebiete bis ins letzte Detail
optimiert sein - dazu ist die Vielfalt der Gebiete und Anwendungen viel zu
groß. Ein Gegengewicht zu diesen sogenannten 'general purpose computer algebra
systems' bilden spezialisierte Systeme, die meist aus konkreten Bedürfnissen
der Forschung entstanden sind.
Solch ein Paket ist das in dieser
Arbeitsgruppe entwickelte SINGULAR, ein System für polynomiale
Berechnungen, das ursprünglich zur Behandlung bestimmter Fragestellungen
aus der Singularitätentheorie entstand, da diese Fragestellungen 1986
weder theoretisch noch (mit den zur Verfügung stehenden Systemen) rechnerisch
bewältigt werden konnten. Als Krönung dieser ersten Phase der Entwicklung
konnten Vermutungen mittels auf dem Computer generierter Gegenbeispiele
widerlegt werden, was wiederum die weitere theoretische Entwicklung
beeinflußte.
Inzwischen ist SINGULAR zu einem der umfangreichsten und
effizientesten Spezialsysteme gereift, mit dem man nicht nur polynomiale
Gleichungssysteme lösen, sondern auch viele Berechnungen aus dem Bereich
der Algebraischen Geometrie durchführen kann. Es findet in über 30
Ländern Anwendung, darunter auch in den USA und Japan. Als einziges System
ist SINGULAR in der Lage die Lösungsmenge polynomialer
Gleichungssysteme effizient in Singularitäten zu analysieren, d.h. in
Punkten, in denen die Lösungsmenge nicht glatt, sondern z.B. verzweigt ist.
Forschung
Eine zentrale Rolle in der Behandlung polynomialer Systeme spielen
sogenannte Standard-Basen, die durch den Buchberger Algorithmus berechnet
werden können; sie stellen eine besondere Form eines solchen Systemes dar,
aus der man z.B. leichter Informationen über die Lösungsmenge ablesen
kann. Da die Berechnung solcher Standard-Basen für praxisrelevante
Systeme jedoch sehr zeit- und speicherintensiv sein kann, ist es von
großer Bedeutung, nicht nur die vorhandenen Algorithmen optimal zu
implementieren, sondern auch nach neuen Variationen der Methoden zu suchen
(Forschungsthemen: p-modulare Standardbasen Berechnung, Gröbner Walk).
Außerdem weist diese Behandlung polynomialer Systeme den Weg auch
zur Bearbeitung verwandter Fragestellungen (Forschungsthemen: nicht-kommutative
Standard-Basen, Verhalten von Standard-Basen unter Deformation, Standard-Basen
für sogenannte Mikrolokale Strukturen).
Doch auch die Anwendung sowohl in der mathematischen als auch in der
natur- und ingenieurwissenschaftlichen Forschung trägt stets neue
Anforderungen und Probleme an die Computeralgebra heran.
Computeralgebra-Einsatz in Forschung und Anwendungen
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Universität Kaiserslautern Fachbereich Mathematik Arbeitsgruppe Algebraische Geometrie |